Neubrandenburger Schulgeschichte


Neubrandenburg 

Schulgeschichte
in Geschichten 



federchen Verlag 1997   


 

 

(FOTO)
Horst-Gösta Berling
Mitglied des Museumsvereins Neubrandenburg e.V. und
Mitautor dieser Publikation
3.4.1925 - 15.2.1997
 

Aus dem Inhaltsverzeichnis:
Aus der Zeit von      
Köster Klickermann Dichtung und Wahrheit   30
Auf dem Neubrandenburger Gymnasium   56
Turnfahrten der Schule   88
Zum Jubiläum der Fritz-Reuter-Schule  108
Gewogen und zu leicht befunden?  135
“Läuschen un Rimels üm ein Abiturklass       
ut de Friedrich-Engels-Oberschaul”  136
  Wer bezahlt die Sporthalle  138
Ein Schulhaus hat Jubiläum  150

Aus dem Literatur- und Quellenverzeichnis

Ahlers, W.:  Historisch-topographische Skizzen aus der
Vorzeit der Vorderstadt Neubrandenburg, Neubrandenburg 1867
Boll, F.: Chronik der Vorderstadt Neubrandenburg,
Neubrandenburg 1875
Chronik der Fritz-Reuter-Schule, unveröffentlichtes Manuskript
MLHA - Mecklenburgisches Landeshauptarchiv,

Schulakten Neubrandenburg
Tarnow, R.: Köster Klickermann, Wismar 1921
Reuter, F.: Dörchläuchting, Leipzig o.J.
Wendt, H.:   Dörchläuchtingsland.
Dr.Witt, Hans: Klassenchronik, unveröffentliches Manuskript

Damit befinden wir uns doch in guter Gesellschaft, oder?

“Läuschen un Rimels üm ein Abiturklass vom Johrgang 1956 ut de Friedrich-Engels-Oberschaul” 

Hans Witt

Hans Witt, gebürtig aus Altentreptow und von  1952-1956  Schüler der Oberschule “Friedrich Engels”, schrieb und schreibt die Chronik einer Klasse, deren Mitglieder, inzwischen auch deren Ehepartner, sich seit  dem  Abitur ununterbrochen jedes Jahr treffen. Vier Bildbände (2001 sind es schon sechs - H.W.) mit einem Gesamtgewicht von fünfzig Kilogramm gibt es bereits. Allein diese Einmaligkeit ist es schon wert, hier erwähnt zu  werden.  Kostproben aus dieser Chronik, ausgewählt von Horst-Gösta Berling:

Im Internat auf dem Bethanienberg

Wenn ik tauierst schräben heww, dat wi in dat nige Internat “intreckten”, denn heww  ik bannig  äwerdräben: Wi müßten irst all düchtich mit anfaten, üm dat Hus einigermaßen wohnlich intaurichten. De Möbel, dei sik up de Flure stapelten, seh’n ut, as wenn sei schon einige Kinnerheime un Internate äwerläwt  haren, un datwir  bestimmt uk so! Nah ein poor Wochen haren wi uns äwer schon so inricht, dat wi uns ganz woll feulten. Wi wiren ja alltauhopen, Jungens un Mäkens, dat irste Mal för so lange Tied von Muddern weg, un dor wir dat schon wichtig, dat wi  uns all gaut verdrägen.Uns’ Internatsleiter, “Adi” Schulz, leet in de irsten Wochen de Tögel bannig locker.
Wi hemm’ bald jeden Dag nah’t Abendbrot danzt, dat dat man sine Ort harr! Ingo Naudit, ein Schöler ut uns’  Parallenklass, spälte nämlich so’n komischet Ding von Treckbüdel. In Harwst hemm’ wi uns ne Eck von den groten Boen tau’n Dischtennisruum utbugen dörft. Dor is in dei Tied, dei wi up den Bethanienbarg  wohnten, so mancher Druppen  Schweit flaten. De Sport wür damals äwerhaupt grot schräben bi uns in’t Internat. Oft hemm’ wi uns tau einen Waldloop runner an’ Tollensesee tausammen funn’, orrer wi makten Radtouren mit uns’ selbst upgebugten Drahtesels.

“Spucki” - der Chemielehrer

Ein Kapitel för sick is “Spucki” wäst. Hei wier uns’ Chemielihrer un nennte sich mit “bürgerlichen  Namen”  Herr Dr. Grosse. Spucki har dei för uns wunnerbore Angewohnheit, sick bi Klassenarbeiten vörn an sienen Disch tau setten un irgendwat tau erledigen: Entweder Hefte nahtaukieken, in’t Klassenbauk tau blärern orrer wat Ähnlichet tau maken. Wenn hei nu siene Kontrollrun’ im Klassenruum dreigen wull, denn schlög’ hei mit’n luden Bumms dat Klassenbauk tau, so as wenn hei seggen wull: Vörsicht, jetzt  kam ik ! Dat wier denn för uns dat Teiken, dei Schummelzettel verschwinden tau laten, mit de Näsen up unse eigen Arbeit  tau bliben un’n  angestrengtet Gesicht tau maken - grad so, as wenn uns äben de erlösende Gedank’ kamen wier.
Hier un dor har hei denn uk’n poor Bemarkungen tau maken un uk Berichtigungen antaubring’ . -  Bi mündliche Leistungskontrollen künn’ sick siene speziellen Frünn noch so dämlich anstell’n: Wenn dat ne   “Eins”   warden  süll,   denn  würr  dat  uk ein’! Ein anner künn sich noch so anstrengen, mihr as ne  “Vier”  sprüng einfach nich rut. Siene Pappenheimer kreegen, ob sei awwschräben, ob sei väl orrer  wenig richtig harn, bi Klassenarbeiten regelmäßig  ehre Sondernote:   “Im  besseren  Sinne  4”    orrer   “Im  schlechteren Sinne 4” . Trotz all sin Mucken hett de  Unnerricht bi  Spucki oewer doch Spaß makt. Man hett richtig markt, dat hei vull im  Stoff stünn.
Wie Spuckis Spitznam’ taustann’ keem? Dat is ja nu uk gor nich so schwer tau erraden: Ümmer, wenn hei so richtig  in Fahrt keem,  müßten sich dei Schäulers in de iersten Reihgen vörseihn, dat sei nich’n poor  Druppen awkreegen, so spückerte hei in sin Raasch!

Der Klassenlehrer

Bekanntlich wir ja de Sprung  von dei 10. tau dei 11. Klass de schwerste Schritt up de Oberschaul. Wenn ick dor bloß an Mathe denk: Wer bether einigermaßen dei Gleichungen un Funktionen begräpen harr un sick mit  Sinus, Cosinus, Tangens un Cotangens taurecht  fünn, dei müßte nu erläben, dat Latschi (Spitzname unseres Klassenlehrers Erwin Latendorf - H.W.) noch ganz anner Geschütze upführen künn. Hei keem mit Differential-  un Integralräknung up uns tau. Wer dorbi noch nich tau  Boden gahn wir, den’ erwischte dat bi de Analytische Geometrie un de Sphärische Trigonometrie.
Dat “Mögen orrer Nichmögen” von bestimmte Fächer hängt oftmals mit den’  Lihrer tausammen, dei dat unnerrichten deit. Un dor hett  Latschi keine schlichte Figur makt. Hei künn goot erklären, wir sicher in all sin’ drei Fächer, un man künn jedertied mit alle mäglichen Fragen tau em kamen. Hei harr  ümmer Tid för uns. Ein Grund dorför, dat an’t Enn’ in uns’ Klass  so schlichte Zensuren ruterkamen sünd, wir bestimmt uk, dat Latschi, ob bewußt orrer unbewußt, dat bi dei Klassenarbeiten ümmer si inricht hett, dat de Besten  von uns man grad so mit de Tid utkamen sünd. Dor bläwen kuum noch ‘n  poor Minuten öwrich, üm allet nochmal tau kontrolliren.
Im Winter 1955/56 makten wi eine Klassenwanderung äwer den’ taufroren Tollensesee, dei binah tragisch utgahn wir: Ik weit nich, wo Latschi öwerhaupt den Maut hernahmen  harr, mit de ganze Klass’ so’n gefährlichet Unnernähmentau starten? Dat Is wir twor bald’n halben Meter dick, äwer dei ollen Nigenbrambörger waren sick noch erinnern, dat dei Tollensesee, wenn hei schon mal taufroren is, so sine  Tücken hett. Mit einen groten Krach entstahn plötzlich -zig Meter lange Risse, dei sick manchmal äwer den’ ganzen See trecken. Up einmal stünn’ wi also vör so ein Hindernis. Dei Spalt wir schon bannich breit un seech gefährlich ut.  Latschis Anwiesung wir damals klipp un klor: “Ümkirn, un runn’ von’t Is!”  Uns’ “Pingo” Pioch markierte äwer mal werrer den’ starken Mann, nähm Anlop un wull röwerspringen. Hei rutschte jedoch mit sin Afsprungbein wech un  schlidderte in dat iskolle Water. Sin grotet Glück wir, dat hei nich unner dat Is keem, sonnern den’ Rand tau faten kreech. Wi hemm’ em  denn mit vereinten Kräften dor werrer ruthalt un denn güng’t rasch nah Hus. Uter’n düchtigen  Schnuppen un ’ne orrentliche Standpauk von Latschi kemm nix wirer darnah’.

Kurzer Auszug aus dem Beitrag auf Seite 135:

Gewogen und zu leicht befunden?

  Nachdenkliches aus einer Schulchronik des Jahres 1952/53 - gefunden und kommentiert von 
Dr. Manfred Bewersdorf:

Schmunzeld sitze ich über handschriftlichen Blättern, die die Ereignisse des Schuljahres 1952/53 in  der “Friedrich-Engels-Oberschule” (FEO) Neubrandenburg, Lessingstraße, beschreiben. Verfasser der Chronik ist ein Lehrer der “alten Schule”, Dr. Lunderstedt, exakt und penibel bis zur Ironie. Und so sieht man ihn vor sich, der  Latein, Kunsterziehung und in jungen Jahren Sport unterrichtete. “Vagari” - der Schreitende genannt, weil er im Unterricht den Klassenraum i einer Art Stechschritt durchmaß...

Anmerkung:   Eingeweihte und  aufmerksame Leser unserer Website werden bemerkt haben, dass es sich bei dem Verfasser dieses Beitrages in der “Schulgeschichte” um unseren Russischlehrer “Baby” Bewersdorf handelt
(hier mehr über ihn) , der Schreiber der Schulchronik von 1952/53 (unser 9. Schuljahr an eben der Schule!) war unverkennbar unser “Lundi” Dr. Lunderstedt  (hier mehr über ihn) .

Für Interessenten der Neubrandenburger “Schulgeschichte in Geschichten”:   ISBN 3-910170-28-5
 

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